Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 6/2015 - page 19

Gesundheit
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Foto: Techniker Krankenkasse
Webcode 18168
Der Zerspanungsmechaniker bohrt und fräst nicht mehr, er programmiert den
3D-Drucker, der Teile mit den entsprechenden Löchern produziert. Die Se-
kretärin steht nicht mehr stundenlang vorm Fax, sie verschickt mit einem Klick
Serien-E-Mails. Manager reisen für Besprechungen nicht mehr hunderte
Kilometer, sie hören und sehen einander über Webmeetings.
Digitale Arbeitswelt verlangt
gezielte Gesundheitsförderung
Eine digitalisierte Arbeitswelt erleich-
tert vieles. Arbeit wird flexibler, Quan-
tität und Qualität können erhöht wer-
den. Gleichzeitig fallen durch tech-
nische Möglichkeiten natürliche Pausen
im Arbeitsalltag weg und immer mehr
(technisches) Wissen wird nötig.
„Auf diese nun schon nicht mehr ganz
neuen Arbeitsbedingungen müssen
wir – Unternehmen, Politik, Akteure im
Gesundheitswesen – reagieren, um ge-
sunderhaltende oder gesundheitsför-
derliche Arbeit zu ermöglichen“, sagt
Guido Dressel, Leiter der Landesver-
tretung Thüringen der Techniker Kran-
kenkasse (TK). „Kaum ein Unternehmen
am internationalen Markt kann es sich
leisten, E-Mails nach 20 Uhr deutscher
Zeit nicht zu beantworten. Aber wir
brauchen Rahmenbedingungen für eine
flexiblere Arbeitsorganisation. Dank
moderner Kommunikationsmittel haben
wir viele Möglichkeiten dazu.“
Konzentration und
Ruhepausen ermöglichen
Digitalisierung und die steigende Zahl psychischer
Erkrankungen werden im engen Zusammenhang mit-
einander betrachtet. „Durch die ständige Erreichbar-
keit gibt es kaum noch Ruhepausen. Fahrten zwischen
Arbeitsorten oder in Einsätzen werden mit Mobilge-
räten zu Arbeitszeit“, sagt Prof. Dr. Rüdiger Trimpop,
Arbeits- und Organisationspsychologe an der Fried-
rich-Schiller-Universität Jena.
Daraus folgen können psychische Diagnosen, die mitt-
lerweile ein bedeutender Wirtschaftsfaktor sind: Thü-
ringer Erwerbspersonen waren im Jahr 2014 durch-
schnittlich 16,6 Tage krankgeschrieben. Davon 2,4
Tage wegen Depressionen, Neurosen oder Belastungs-
störungen. Die Zahlen stammen aus dem TK-Gesund-
heitsreport 2015.
Bereits vor einer Krankheit bietet die digitale Arbeits-
welt Potenzial, die Leistung zu verringern. Durch zahl-
reiche Informationen, die unser Arbeitsgedächtnis
nicht alle gleichzeitig verwerten kann, und ständige
Unterbrechungen der eigentlichen Tätigkeit, wird ein
tieferer Arbeitsmodus verhindert. Das
sind hochkonzentrierte Phasen, in de-
nen man sich ganz einer Aufgabe wid-
men kann. Denn das menschliche Ge-
hirn ist nicht auf das ständige Springen
zwischen Aufgaben oder gar die paral-
lele Arbeit ausgelegt. Handelt man wi-
der dieses neurologische Gesetz, kön-
nen Flüchtigkeitsfehler und geringere
Arbeitsmotivation die Folge sein.
Digitale Angebote für
Lockerung und Entspannung
„Das Interessante am sogenannten
Burnout-Syndrom zum Beispiel ist, dass
viele der Bedingungen für gute Arbeit
ab einem bestimmten Niveau ins Ge-
genteil umschlagen. Dazu gehören ho-
he Einsatzbereitschaft, Wichtigkeit, Ver-
antwortung oder viele verschiedene
Aufgaben“, sagt Trimpop. „Gesundheits-
förderungsprogramme sind wichtig, um
Schäden zu vermeiden, aber auch um
präventiv die notwendigen Denk-, Er-
holungs- und Regenerationspausen zu
integrieren.“
Für Gesundheitsförderung sind digitale
Angebote nützlich. Schrittzähler und
Fitness-Apps machen Betriebliches Ge-
sundheitsmanagement (BGM) für Mit-
arbeiter interessanter. Digitale Anlei-
tungen für Entspannungsübungen sor-
gen für die nötige Erholung zwischen-
durch. „Die TK bietet und unterstützt ei-
ne Vielzahl von Online-Helfern für eine
gesundheitsförderliche Arbeitswelt“,
sagt Dressel. „Wie alle BGM-Maßnah-
men sollten auch die digitalen Ange-
bote bedarfsbezogen und passgenau
genutzt werden, um wirklich etwas zu
bewirken. Deswegen rate ich, BGM-
Experten, zum Beispiel von der Kran-
kenkasse, einzubeziehen. Sie helfen,
Schwachstellen in der Firma zu analy-
sieren, zeigen mögliche Maßnahmen
zur Gesundheitsförderung auf und be-
werten am Ende gemeinsam mit den
Unternehmen die Ergebnisse.“
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